Kunstprojekt Artothek

Im Rahmen des Kunstprojekts Artothek – Mobile Skulpturen sind seit 2017 unter der Schirmherrschaft der Stadt Bühl sieben Skulpturen regionaler Künstler entstanden, die seitdem die Stadt bereichern.

Die Idee des Alternativen Kunstvereins Bühl, dreidimensionale Kunstwerke im öffentlichen Raum zu platzieren, entstand im Zuge seiner Mitwirkung beim Regionalentwicklungsprogramm Leader: Dank der Aufnahme in die Förderkulisse Mittelbaden wurde das Startprojekt letztlich mit Leader-Mitteln in Höhe von mehr als 9.000 Euro bezuschusst. Die verbleibenden Kosten übernahmen die Stadt Bühl sowie Sponsoren.

Sechs Skulpturen sind in der Innenstadt anzutreffen: vor dem Rathaus, im Stadtgarten, auf dem Europaplatz, am Nordtorkreisel sowie in der Dreherstraße. Ein weiteres Kunstwerk, eine Marmorfeder, befindet sich im Industriegebiet an der Fassade des Bühler Gründerzentrums BITS.

Ziel der Artothek ist, der bildenden Kunst mehr Präsenz und Bedeutung einzuräumen und einen Beitrag zum kulturellen Mehrwert in der Region zu leisten. Die Künstler wurden bei ihrer Arbeit von hiesigen Betrieben unterstützt, etwa über Materialien, Arbeitsräume und Know-how.

Die Künstler und ihre Skulpturen

Standort: beim Kreisverkehr am Nordtor

Die Sandsteinsäule der Bühler Bildhauerin Gabriele Müller-Nagler ist eines der monumentalsten Kunstwerke des gesamten Kunstprojekts. Nachdem die rund drei Meter hohe Skulptur zunächst nahe der Sparkasse platziert wurde, hat sie mittlerweile ihren Platz am Nordtor-Kreisel gefunden. Dort kommt die Idee von Müller-Nagler, die sie durch das Kunstwerk verwirklichen möchte, besser zur Geltung. Im Gegensatz zum ersten Standpunkt, wo "Open Sky" zwischen Bäumen stand, kann die Plastik nun den Blick des Betrachters nach oben lenken beziehungsweise festhalten und eine Art „Himmelsöffner“ sein. Bei „Open Sky“ trägt eine viereckige Sandsteinsäule einen felsenartigen Korpus, den 13 weiße Rundstäbe aus Marmor durchstoßen. Die weißen Pfeile aus Bohrkernen sollen die Kondensstreifen des Luftverkehrs symbolisieren. „Die vielen sich kreuzenden Flugzeugspuren haben mich zu dieser Arbeit inspiriert“, erklärt Müller-Nagler.


Kunstprojekt Artothek - Gabriele Müller-Nagler – „Open Sky“
Standort: Europaplatz

Beim „Rowdy“ hat Henning Schwarz aus zentnerweise Stein Kunst geschaffen. Aus Granit und Diabas (schwarzes Urgestein) entstand ein wuchtiger Stein-Skateboarder. „Für die Rowdy-Skulptur – als ortsspezifische Intervention – machte ich mir den Mobilitätsgedanken des Artothek-Projekts zu eigen“, beschreibt der Rastatter Bildhauer sein Werk. Kurz nachdem das Kunstwerk auf dem Europaplatz aufgestellt wurde, wurde der künstlerische Rowdy umgeworfen und teilweise zerstört. Schwarz gab seine Figur zunächst auf. Der freischaffende Bildhauer entschied sich dann aber doch für einen „Reload“, versehen mit einer „Wegfahrsperre“. Zuletzt wurde der 2,30 Meter große „Rowdy“ für eine Umsetzung demontiert und ist deshalb vorerst nicht zu sehen.


Rowdy
Standort: am Rathaus 2

Traditionelle Bildhauerei und digitale Informationstechnik: Das vereint die Skulptur „Kartenhaus“, die auf dem Kirch- und Marktplatz aufgestellt ist. Fragen menschlicher Existenz rückt das Gemeinschaftswerk von Manfred Emmenegger-Kanzler aus Ottersweier und des Baden-Badener IT-Experten und Philologen Thomas J. Weiss ins Bewusstsein. Weiss hat das überdimensionale Kartenhaus mit sieben QR-Codes bestückt, die keine dekorative Spielerei sind, sondern inhaltliche Verknüpfung mit der Symbolik des Kartenhauses, das vom Einsturz bedroht ist. Ein Handy-Scan öffnet die digitale Tür zu den sieben Todsünden: Hochmut, Zorn, Wollust, Trägheit, Maßlosigkeit und Neid - visualisiert durch Bildmotive von Hieronymus Bosch und Tweets zu aktuellen Auswüchsen wie Klimawandel, Umweltzerstörung und Massentierhaltung.


Kunstprojekt Artothek - Manfred Emmenegger-Kanzler – „Kartenhaus – Die sieben Todsünden“
Standort: Stadtgarten

Was auf den ersten Blick wie ein senkrecht eingeschlagener raketenförmiger Flugkörper anmutet, wartet bei genauer Betrachtung mit der erhabenen Eleganz einer elliptischen Vase auf. Die zwei Meter hohe Skulptur „Vase II, gegenläufig“ des Rastatter Bildhauers Jörn Kausch ist kein Gefäß, sondern eine geometrische Form. Kausch möchte mit seinem Werk auf künstlerische Weise den Zwiespalt zwischen Anpassung und Streben nach Individualität, zwischen Ratio und Gefühl, deutlich machen. Gleichzeitig versteht er die „Vase II“ als Widerspruch zu den „heroischen“ Denkmälern im Stadtgarten und thematisiert dadurch die Empfindlichkeit im Hier und Jetzt.


Kunstprojekt Artothek - Jörn Kausch – „Vase“
Standort: Stadtgarten

Zwei hintereinander beziehungsweise nebeneinander positionierte abstrakte Figuren: Das zeigt die Holzskulptur „Beziehung“. Entlang der Bühlot zieht die in abstrakter Formensprache gestaltete Arbeit des Bühler Bildhauers Christian Gospos die Blicke auf sich. Die Arbeit von Gospos besteht aus einem alten Eichenstamm – gesplittet in zwei Teile, die er separat bearbeitet hat. Dem Stamm hat der Künstler auf bestechende Weise neues Leben eingehaucht. Beide Teile der Skulptur harmonieren in ihrer kraftvollen Bewegung miteinander. In ihrem Formspiel ergänzen sie sich und so kommt es wie in einer zwischenmenschlichen Beziehung in der Bewegtheit zu einer ganzen Einheit. Die beiden Teile sind bewusst nicht etwa glattgeschliffen worden, sondern weisen sichtbare Spuren der Bearbeitung auf. Das natürliche Material entwickelt dadurch also ein gewisses Eigenleben.  Es reagiert auf die Witterung und verändert die Farbe, so wie es sich der Künstler gewünscht hat.


Kunstprojekt Artothek - Christian Gospos – „Beziehung“
Standort: an der Fassade der Bühler Innovations- und Technologie Startups GmbH

1,80 Meter lang ist Rolf Rohrbacher-Laskowski blütenweißes Exemplar aus Laas-Marmor. Seine Motivwahl dafür war dem besonderen Faible für Vogelfedern zuzuschreiben. Schon als Kind habe er es als „bezaubernden Moment“ empfunden, wenn er Vogelfedern fand – ausgelöst „durch die Schönheit und Leichtigkeit dieses grazilen Objekts, das einem quasi wie vom Himmel vor die Füße gefallen ist“. Während der Suche nach einem geeigneten Standort für das Kunstwerk hat sich die Erneuerung des Anstrichs der Bits-Fassade im Sommer 2019 als Gelegenheit geboten. „Dieser Standort bringt auch weitere Facetten der Skulptur zum Tragen: Einige Firmen, die hier ansässig sind, haben einen Bezug zu Schrift und Druckgewerbe“, sagte Rohrbacher-Laskowski bei der Präsentation seines Kunstwerks.


Kunstprojekt Artothek - Rolf Rohrbacher-Laskowski – „Feder schwebend“


Standort: Dreherstraße
 
Etwa drei Meter breit und 1,50 Meter hoch sind die Ausmaße des dreiteiligen Paravents, der im Boden fest verankert ist. Zwei Stahlplatten und eine schwere Milchglasscheibe bilden dabei eine Stellwand für ein apokalyptisches Gedicht, das die Bühler Lyrikerin und Künstlerin Barbara Laskowski vor vielen Jahren bei der Aktion „Kunst(t)raum“ vor einer Videokamera auf einer Schreibmaschine tippte und nunmehr etwas abgewandelt hat. Bei der Metallskulptur mit lyrischer Komponente geht es um das elementare Thema Klimanotstand, die Bedrohung von Mensch und Natur. Das skulpturale Mahnmal setzt zugleich ein Zeichen für die Lyrik – eine Kunstgattung, die immer weniger Freunde zählt. Das Kunstwerk steht in der Dreherstraße nahe der Buchhandlung „Leseinsel“ – an „meinem Lieblingsstandort“, wie Laskowski sagt: „Der Platz ist wie gemacht für die Arbeit. Die Arbeit ist wie gemacht für den Platz.“

Lyrik-Paravent von Barbara Laskowski